Simultan in Altona
Schach ist nicht Fußball
Drei runde Jubiläen 2023 wurden auf diesen Seiten schon erwähnt (na, welche waren
es? Habt ihr wohl schon wieder vergessen, wa? :-), aus Anlass des vierten
(Altonaer SK 150 Jahre) gab es eine Simultanveranstaltung.
Die folgende Aussage von einem Hardcore-Schachfan wird vielleicht etwas
verstören, aber: Schach ist nicht Fußball. Selbst das mieseste Gekicke
bietet für den Zuschauer mehr Action als die haukigste Schachpartie.
Eine hochklassige Schachpartie braucht Zeit. Und wer hat die heute schon.
Insofern hat ein Veranstalter eines Schachevents immer ein Problem,
wenn er auch dem Zuschauer etwas bieten will.
Altona hatte hier alles richtig gemacht. Als Zugpferd trat der simultanerfahrene
Georgios Souleidis an, allen Schachfans von seinem "The Big Greek"-Internetkanal
bekannt. Es gab einen Livekommentar von Constanze Wulff, auch internetmäßig
keine Unbekannte. Gespielt wurde im schönen Altonaer Museum: die Partien fanden
unten im Galionsfigurensaal statt (einige darunter leicht jugendgefährdend :-),
und oben an der Reling konnten die Zuschauer zuschauen, ohne zu stören.
Die Schachfreunde Wilstermarsch(!) hatten die Technik angekarrt, mit der alle
Partien live übertragen wurden. Ideale Bedingungen also, aber selbst der r.R.
komponierte zwischendurch ein paar Schachprobleme, weil 3 Stunden Zuschauen
keiner durchhält.
|
 |

Nun zu den anderen technischen Daten. Unser Grieche (durchgehend mit Weiß)
spielte gegen 25 Opfa :-) (für die Recherche eines DWZ-Schnitts ist der r.R.
zu faul; ich schätze mal 1600-1700 maximal; die Plätze wurden verlost,
weil der Andrang natürlich sehr groß war - das bedeutete auch, daß einige
Gegner noch nicht einmal im Verein spielten). Besagte Opfa leisteten aber
erbitterten Widerstand (was evtl. auch dem stocksoliden Stil von Souleidis
geschuldet war, der darauf setzte, daß er spätestens das Endspiel gewinnt,
und anders als euer r.R. sich nicht ohne Not in chaotische Verwicklungen einließ),
so daß er an diesem Abend einige km zu marschieren hatte. Er verlor eine Partie
(unachtsamer Bauerneinsteller, kann jedem passieren), remisierte fünf und gewann
den Rest. Einige weitere Punkte im Endspiel hätte ihm ggf. noch der r.R. abgeknöpft
(Wiekhorst wurde im besten Carlsen-Stil ausgequetscht, Reuter verlor sehr
unglücklich, Fellberg aus Wilhelmsburg wird sich noch einiges anhören müssen -
das konnte man relativ risikolos auf Gewinn spielen), aber Kiebitze dürfen
ja nicht vorsagen. Insgesamt also ein standesgemäßes Resultat.

Hier ist die Partie, die nach Meinung eures r.R. die meiste Action aufwies.
Georgios Souleidis - Emhmed Abdurrahman (Altona)
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3 Sf6 4.d4 (Schrottisch und Schrottisch Vierspringer ist
im Jugendbereich gerade groß in Mode. Die Engine-Bewertung ist die Gleiche wie
bei anderen Eröffnungen: Weiß hat den Anzugsvorteil. Wobei, Anzug bei 30° draußen
stelle ich mir auch unangenehm vor :-) )
4...exd4 5.Sxd4 Sxd4 (Nicht das
beste, Weiß hat großen Raumvorteil.)
6.Dxd4 d6 7.Lf4 Le7 8.O-O-O O-O 9.f3 Sh5
(Ein Schlag ins Wasser, das kostet nur Zeit und schwächt als Folge die Königsstellung.)
10.Le3 Lf6 11.Dd2 g6 12.g4 Sg7 13.h4 h5 14.g5 (Siehe obige Anmerkung! Weiß
zwingt den Läufer zum Tausch, wonach die schwarzen Felder bei Schwarz katastrophal
schwach sind. Anderer Leute Material opfern tut man immer gerne, sagt die Engine,
fackelt mit Nd5 nicht lange und schickt den Bg4 auch noch den Bh4 hinterher, z.B.:
14. Nd5 hxg4 15. Nxf6+ Qxf6 16. Bd4 Qe6 17. h5.)
14...Lxc3 15.Dxc3 Le6 16.Ld4 Se8
17.f4 Lg4 18.Te1 c5 19.Le3 (Das war jetzt aber alles zu dünn. Schwarz nimmt erst
einmal den Bauern mit, getrost der alten Regel, lieber scheiße stehen mit Mehrbauer
als ohne. De facto hat er schon leichten Vorteil.)
19...Lf3 20.Tg1 Lxe4 21.Lh3 Sg7
22.Lxc5 Lf5 23.Ld4 (Au. Ein böser Überseher, Lxf5 war Pflicht, wonach Schwarz
aber aufatmen könnte.)
23...Tc8 24.De3 Te8 (Besser sofort Schlagen auf c2
und Da5, denn erstens hängt die Dame auf e3 mit Tempo durch, sobald Weiß mit Bxf5
tauscht - was er eh muss - und zweitens gibt das nur Grundreihenprobleme.)
25.Df3 Txc2+ 26.Kd1 Dc8 (Tauschen und Da5. Immer noch.)
27.Txe8+ Sxe8
(Besser Dxe8, aber nun muss auch Schwarz schon mit dem Rechnen anfangen.)
28.Lxf5 Dxf5 29.Te1 Tc8 30.Lc3 Sg7 31.Dxb7 Dd3+ (Und damit ist der Gewinn
endgültig verspielt, aber wer soll schon auf die Idee d5 kommen, um entweder den
Läufer auszusperren oder mit Gewalt alle Linien im Zentrum zu öffnen?)
32.Kc1 Txc3+ 33.Lxc3 Dxc3+ und Dauerschach, 1/2-1/2.
Details und Partien
Fotos: Andreas Klett
Nachtrag: Wer beim ersten Foto stutzte, hat genauer beobachtet als euer r.R.!
'250 Jahre' ist schon richtig - die setzen sich nämlich zusammen aus dem 150
von Altona und den 100 von Blankenese, die bei dieser Jubiläumsveranstaltung
eng zusammengearbeitet haben, von der Organisation bis zur Bezahlung.
Das sei wegen des löblichen Beispiels noch einmal ausdrücklich erwähnt.
Hauke Reddmann